Selten wird man so gelobt wie vom bisherigen Arbeitgeber im Arbeitszeugnis. Die Formulierungen fallen überschwänglich aus und jedes Attribut wird mehrfach positiv verstärkt. Doch Vorsicht: In der Zeugnissprache klingt fast alles positiv, obwohl es in Wirklichkeit nicht so gemeint ist. Das liegt daran, dass jeder Arbeitnehmer einen arbeitsrechtlichen Anspruch auf ein wohlwollend formuliertes Zeugnis hat.Auch mittlere und sogar schlechte Leistungen müssen deshalb in wertschätzender Weise dargestellt werden. Wir werfen für Sie einen Blick hinter die Kulissen der Zeugnissprache!
Zeugnissprache – eine (nicht ganz geheime) Geheimsprache
Das Ergebnis der rechtlichen Entwicklung bezüglich der Formulierungen in Arbeitszeugnissen war und ist, dass sich ein eigener sprachlicher Code entwickelt hat, den übrigens jeder Personaler beherrschen sollte. Diesen zu entschlüsseln ist wichtig, um den tatsächlichen Wert des Zeugnisses richtig einschätzen zu können. Fatal wäre es, wenn Sie sich mit einem vordergründig positiven Arbeitszeugnis bewerben, das Unternehmen daraus einen negativen Schluss zieht und Sie nicht einlädt.
Über die Feinheiten der Zeugnissprache wurden bereits ganze Bücher verfasst. Entsprechend kann es in diesem Artikel nur darum gehen, die Grundzüge der Sprache in Arbeitszeugnissen darzulegen. Weiterhin gibt es eine Reihe formaler Fragen, die ebenfalls eine wichtige Rolle spielen und die ein Arbeitszeugnis entsprechend erfüllen sollte.
Die wichtigste Beurteilung: die Gesamtnote
Der Aufbau eines Arbeitszeugnisses folgt klaren Regeln. Es besteht ein Anspruch darauf, dass es mit dem Briefkopf der Firma versehen ist. In der Einleitung werden der Arbeitnehmer, seine Position und die Länge des Beschäftigungsverhältnisses angeführt. Dann folgt meist eine kurze Beschreibung des Unternehmens sowie eine Auflistung der Tätigkeiten. Bis zu den Tätigkeitsfeldern wird das Schreiben für Personalverantwortliche in der Regel nur überflogen.
Dann jedoch wird genau gelesen, weil an dieser Stelle die Gesamtnote in Sachen Leistung sowie im Hinblick auf das Sozialverhalten erteilt wird. Je besser diese ausfällt, desto weniger kritisch erfolgt die weitere Lektüre. Ist die Note dagegen nur ein Befriedigend oder noch schlechter, so wird in der Regel intensiv nach den Gründen für die Beurteilung gesucht. Der Gesamtnote kommt deshalb entscheidende Bedeutung zu.
Die Abstufungen der Gesamtnote
Grundsätzlich steht Arbeitgebern frei, wie sie ein Arbeitszeugnis formulieren. Eine Wortwahl ist nicht vorgegeben. Allerdings haben Arbeitnehmer die Möglichkeit, ein Zeugnis per Klage auf gerichtlichem Wege überprüfen zu lassen. Wenn sich das Zeugnis zu kreativ liest, kann dieser Umstand langwierige Verfahren vor dem Arbeitsgericht nach sich ziehen.
Deshalb haben sich vor allem in Bezug auf die Gesamtnote bestimmte Formulierungen herausgebildet, die so gut wie immer verwendet werden. Das macht nicht zuletzt die Lektüre für andere Arbeitgeber an dieser Stelle deutlich einfacher.
Folgende Notenstufen werden dabei wie folgt formuliert:
- sehr gut = „stets zur vollsten Zufriedenheit“
- gut = „stets zur vollen Zufriedenheit oder „zur vollsten Zufriedenheit“ (ohne ergänzendes stets)
- befriedigend = „stets zur Zufriedenh“eit“ oder ‚“den Erwartungen in jeder Hinsicht entsprochen“
- ausreichend = „zur Zufriedenheit“
- mangelhaft = „hat sich bemüht, die übertragenen Aufgaben zu unserer Zufriedenheit zu erfüllen“
Die Bewertung des Sozialverhaltens
Unmittelbar nach der Gesamtnote folgt in aller Regel ein weiterer Satz, der sich auf das Sozialverhalten der oder des Angestellten im Betrieb bezieht. Auch in diesem Zusammenhang gibt es in der Zeugnissprache Formulierungen, die besonders häufig verwendet werden und aus denen sich entsprechend klar herauslesen lässt, in welcher Weise der bisherige Arbeitgeber das Verhalten des Arbeitnehmers empfunden hat.
- sehr gut = „Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war stets einwandfrei.“
- gut = „Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Kollegen war einwandfrei.“
- befriedigend = „Verhalten gegenüber den Kollegen und Vorgesetzten war einwandfrei.“ (Achtung Reihenfolge!)
- ausreichend = „Verhalten gegenüber den Kollegen und Vorgesetzten war einwandfrei.“ (Verkürzung)
- mangelhaft = „Verhalten gegenüber Vorgesetzten und Mitarbeitern war insgesamt einwandfrei.“ (verbale Einschränkung)
Insgesamt gibt es bei der Beurteilung des Verhaltens eine größere Bandbreite an Formulierungen. Im Hinblick auf deren Einordnung werden Sie im WorldWideWeb ziemlich schnell fündig. Audimax.de listet viele übliche Codes auf!
Zeugnissprache entschlüsseln – Vorsicht bei Auslassungen!
Eine beliebte Technik bei der Erstellung von Arbeitszeugnissen sind Auslassungen. Wenn es etwa um eine Stelle geht, bei der ein hohes Maß an Kundenkontakt besteht, sollte sich die Beschreibung des Verhaltens auch auf die Kunden beziehen. Bei einem Verkäufer würden daher die oben bezeichneten Formulierungen zum Sozialverhalten schnell Fragen aufwerfen.
Noch häufiger wird diese Methode jedoch bei der genaueren Beschreibung des Arbeitsverhaltens verwendet. Der Satz „Er erledigte alle Arbeiten mit großem Fleiß und Interesse“ liest sich auf den ersten Blick positiv. Allerdings wird kein Wort über den Erfolg der Arbeit verloren. Die versteckte Botschaft hinter der Zeile ist deshalb, dass die Bemühungen des Arbeitnehmers im Unternehmen in der Regel erfolglos blieben.
Sie sehen, dass es für Arbeitnehmer eigentlich unerlässlich ist, sich mit der Zeugnissprache zu beschäftigen oder einen „Eingeweihten“ über das Arbeitszeugnis schauen zu lassen!